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The Writings on the Wall
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„Im gleichen Augenblick gingen hervor Finger wie von einer Menschenhand, die schrieben gegenüber dem Leuchter auf die getünchte Wand in dem königlichen Saal. Und der König erblickte die Hand, die da schrieb. 6 Da entfärbte sich der König, und seine Gedanken erschreckten ihn, so dass er wie gelähmt war und ihm die Beine zitterten. 7 Und der König rief laut, dass man die Weisen, Gelehrten und Wahrsager herbeiholen solle. Und er ließ den Weisen von Babel sagen: Welcher Mensch diese Schrift lesen kann und mir sagt, was sie bedeutet, der soll mit Purpur gekleidet werden und eine goldene Kette um den Hals tragen und der Dritte in meinem Königreich sein. (8) Da wurden alle Weisen des Königs hereingeführt, aber sie konnten weder die Schrift lesen noch die Deutung dem König kundtun.“ (Altes Testament: Daniel 5, 5-9)
The Writings on the Wall (2005) von Martin Conrads und Ingo Gerken befragt die Wirksamkeit des vom Papst ausgesprochenen Segens bei medialer Vermittlung. War zunächst für den Empfang des päpstlichen Segens die Anwesenheit auf dem Petersplatz oder die sichtbare Nähe zum Segensspender notwendig, so bestätigte der Heilige Stuhl im Jahr 1967, dass der apostolische Segen auch bei Übertragung durch das Radio gültig empfangen werden könne, ebenso fast zwanzig Jahre später, 1985, durch das Fernsehen. Ein ähnliches Dekret wurde nach weiteren zehn Jahren, 1995, für die Vermittlung durch das Internet verabschiedet. Speicherung und Wiederholung aber führten laut Verordnung zur Ungültigkeit des Segens. Was die Direktübertragung im Internet betrifft, so werden die Daten während des Livestreamings jedoch für eine kurze Zeit zwischengespeichert. In diesem Fall wird die Segensübermittlung laut der Künstler eher zu einer Frage des Glaubens als zu der von Simultanität.
Warum könne also das temporäre Speichern des Segens im Internet nicht auch auf andere Medien übertragen werden, ohne dass er dabei seine Gültigkeit verlieren würde?
Schließlich gab es neben der sukzessive größer werdenden Medien-Kompatibilität der Segenssprechung und des Empfangs auch andere bedeutende Abweichungen von der Tradition des Segens wie die durch die Gebrechlichkeiten Johannes Paul II. bedingte ‚stumme’ Spendung des Segens, der einer ‚gesprochenen’ gleichgestellt wurde, wobei dieses Privileg nur dem Papst selbst zustand.
Entsprechend diesen Modifikationen kommen Martin Conrads und Ingo Gerken zu dem Schluss, dass der Overhead-Projektor (deutsch wörtlich: ‚Überkopf-Bildwerfer’) als ein Live-Übertragungs- bzw. Projektionsmedium und die Folie als so genanntes ‚Speicherprogramm’ das ideale, aber bisher stark vernachlässigte Medium für den päpstlichen Segen sei. Biblische Motive wie die segnende Hand und die Aureole, die als illuminierter Wolkenkreis heilige Personen umgebe, oder das Geschriebene an der Wand, wie es bei Daniel 5 überliefert steht, unterstützten die Idee, dass der Overhead-Projektor als perfektes Medium dem Heiligen Stuhl für einen medial vermittelten Segen dienen könne.
Ausgehend von dieser Überlegung haben die Künstler Anschreiben an verschiedene kirchliche Autoritäten verfasst mit der Bitte um Beantwortung folgender Fragen:
- Wissen Sie, ob sich (wie bei Radio, Fernsehen, Internet) auch eine Overhead Projektor-Folie zur Übertragung des päpstlichen Segens eignet?
- Gibt es einen Beschluss des Vatikans, in dem zu dieser Eignung des Overhead Projektors positiv Stellung bezogen wird?
- Falls dem so ist, senden Sie mir bitte eine Overhead Projektor-Folie zu, die den päpstlichen Segen trägt.
Dass es sich bei dem durch einen Overhead-Projektor vermittelten Empfang des Segens um eine individuelle Glaubens- und Ansichtssache handeln muss, davon erzählen The Writings on the Wall.
Text von Angelika Richter (Aus: Von Ikonen, Idolen, Avataren und anderen Stellvertretern)