Übergordnete Werke und Veranstaltungen

Werkleitz Festival 2018 Holen und Bringen

Performances

Von Kraftwerks Autobahn über Holly Herndons Platform bis hin zu M.I.A.s Borders, immer wieder beschäftigen sich Musikerinnen und Musiker mit Phänomenen der Logistik, angefangen bei der Infrastruktur bis hin zur Migration. Doch die uns allgegenwärtigen Waren-, Informations- und Menschenströme sind viel mehr als bloß der Gegenstand musikalischer Auseinandersetzung.

Sie machen Musikerinnen und Musiker zu personifizierten Logistikzentren, zu Steuerern, „Fracht“ und Spediteuren in einem. Insbesondere die unabhängigen unter ihnen sind schon lange nicht einfach nur Urheberinnen und Urheber von Musik, sondern übernehmen auch selbst die Distribution ihrer Produkte. Sie speisen sie direkt in die globalen Warenflüsse ein, verschicken ihre Tonträger persönlich per Post und stellen ihre Files eigenhändig in Onlinevertriebskanäle wie bandcamp, soundcloud oder spotify ein. Sie unterhalten eigene Infrastrukturen, sind in den Betrieb von Labels und Agenturen, Clubs und Konzert Venues, Festivals und Netzwerken involviert. In diesen Zusammenhängen agieren Musikerinnen und Musiker zugleich als Disponenten und werden selbst als „Stückgut“ verschickt. Sie fliegen für ein DJ-Set nach London oder fahren mit dem gemieteten Kleintransporter zum nächsten Gig, sind für ein paar Wochen auf Künstlerresidenz oder treffen mit den anderen Bandmitgliedern irgendwo für Proben zusammen. Denn als performative und ephemere Kunstform basiert Musik auf der Präsenz der Akteurinnen und Akteure zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort. Liveauftritte sind wesentlicher Bestandteil ihrer Existenz – ganz abgesehen davon, dass sie nach dem Einbruch des Tonträgermarktes zur primären Einkommensquelle geworden sind.

Musikerinnen und Musiker sind daher der Inbegriff von Mobilität, nicht zuletzt durch ihre multilokalen Lebensweisen und freiwillige oder unfreiwillige Migration – leben doch viele an mehreren Orten zugleich und meist nicht mehr dort, wo sie geboren wurden. Sie sind dorthin gezogen, wo die Musikszene ihnen Möglichkeiten eröffnet, oder haben wie viele andere Menschen ihre Heimat aus sozialen, ökonomischen und politischen Gründen verlassen.So werden Musikerinnen und Musiker durch ihr nomadisches Dasein selbst sowohl zu Behältnissen als auch zu Transporteuren. Sie tragen nicht nur ihre eigene Musik in die Welt hinaus, sondern bringen auch Klänge von ihren Reisen oder biografischen Stationen mit. Sie kommen mit „fremden“ Musikkulturen in Berührung, nehmen unterwegs Gefundenes in ihre Arbeit auf und gehen Kollaborationen mit Musikschaffenden aus aller Welt ein. Diese finden im digitalen Zeitalter folgerichtig nicht nur im physischen, sondern zunehmend auch im virtuellen Raum statt. Dabei nutzen sie die Werkzeuge der Online-Zusammenarbeit oder integrieren gar die „Eigengeräusche“ der Datenautobahnen in ihren Sound.Im Endergebnis wird Logistik durch die mit ihr einhergehenden Austauschprozesse ihrerseits zum Katalysator für die Entstehung neuer Musik, die – so könnte man sagen – in Form eines „kosmopolitischen Eklektizismus“ Rhythmen und Harmonien aus allen Erdteilen zusammenbringt. Vor allem aber lässt sie „neue Geografien“ entstehen, indem sie einst periphere Musiken in ihre Netzwerke einwebt.

kuratiert von Sandra Naumann

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