Kurutta ippeiji – Eine Seite des Wahnsinns

JP 1926
Samstag
16.10.2010
19:00

Ein Meisterwerk des frühen experimentellen Spielfilms. Erzählt wird die Geschichte eines Ehepaares. Die Frau ertränkt im Wahn ihr Kind, der Mann folgt ihr in die psychiatrische Anstalt, um sie zu befreien, aber beide werden zu sehr Teil der Institution, um noch fliehen zu können. Kinugasa erzählt den Film selbst wie im Wahn, die Logik der Handlung wird beständig gebrochen, Mehrfachbelichtungen und schnelle Montage hinterlassen den Betrachter ähnlich verwirrt wie die Protagonisten des Films. An dem Drehbuch arbeitete auch der spätere Literaturnobelpreisträger Yasunari Kawabata mit, er war wie Kinugasa Mitglied der literarischen Avantgarde-Gruppe Shinkankakuha. Als der 30-jährige Kinugasa 1926 aus eigenen Mitteln Eine Seite des Wahnsinns drehte, war er bereits ein erfahrener Regisseur und kannte die Filme der französischen, sowjetischen und deutschen Avantgarde. In der Radikalität seiner Bildsprache jedoch — Kinugasa entfernte in der Endfassung sogar die ursprünglichen Zwischentitel — übertrifft er seine berühmten Vorbilder. Der Film galt lange als verschollen (wie fast alle japanischen Filme der 1920er Jahre nicht erhalten sind), erst 1971 fand Kinugasa in seinem Schuppen eine Kopie. Er fertigte daraus eine leicht gekürzte Tonfilmfassung, die normalerweise mit 24 Bildern pro Sekunde vorgeführt wird. Für Angst hat große Augen wird der Film in der originalen Geschwindigkeit von 18 Bildern pro Sekunde gezeigt und live mit Musik begleitet. Zudem wird die japanische Tradition des Benshis, des Filmerzählers, wieder aufleben gelassen. Der Schauspieler Marold Langer-Philippsen kommentiert den Film live, basierend auf originalen Texten eines Benshis, der Eine Seite des Wahnsinns in den 1920er Jahren begleitet hatte.1

Marcel Schwierin


1 Der Text ist übersetzt in Mariann Lewinsky, Eine verrückte Seite, Chronos 1997.

Teinosuke Kinugasa, Japan 1926, 16mm, b/w, 78 min

http://www.youtube.com/watch?v=7aubUkD_2k4

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