Übergordnete Werke und Veranstaltungen

I am a Revolutionary

GB 2001

Die Arbeiten der britischen Künstlerin Carey Young kreisen um Verwertungsregeln in Marktökonomien, Unternehmensstrategien und Eigentumsfragen kommerzieller Systeme. In I am a Revolutionary von 2001 thematisiert Carey Young die profane Ästhetisierung von gesellschaftlichen Utopien. In der Videoarbeit verfolgt man immer wieder eine Szene: Carey Young, im Business-Anzug, befindet sich in einem dieser Kaninchenbau-ähnlichen Büros mit panoptischen Ein- und Ausblicken in einen gläsernen Innenhof. Young wird von einem Rhetorik-Coach trainiert, um die perfekte Intonation eines einzigen Satzes zu üben, der als Teil einer Rede angenommen werden kann: "I am a revolutionary“. Unablässig wiederholt sie den Satz, wird korrigiert, versucht es aufs Neue: "I am a revolutionary“, um Glaubwürdigkeit und Überzeugung in das vorgetragene Bekenntnis zu legen. Aber es will ihr nicht gelingen, die radikal-politische Positionierung mit der Leidenschaft zu beleben, die ihr einst eigen war. Die Parole der Revolution ist längst zur Ware geworden, zum Gegenstand von globalisierten Marketingstrategien, zum Verkaufsartikel von T-Shirts, Turnschuhen und Heimelektronik. Die Vereinnahmung von gesellschaftlichen Utopien und radikalen Gegenentwürfen in die Werberhetorik der Populär- und Konsumkultur degradiert das wiederholte Bekenntnis zur Farce – und damit das Potenzial einer politischen Avant-Garde, deren Flügel gestutzt sind, weil selbst ihre systemkritischen Attribute zu Luxusartikeln werden: Punk heißt jetzt Gucci und Greenpeace heißt Bitburger. Mit der Adoption von gesellschaftlichem Engagement und der Trophäensammlung zukunftskritischen Personals als Aushängeschild erhöhen Firmen ihren Identifikationswert mit dem gewünschten Klientel: So wirbt die Jeansfirma Diesel mit gecasteten Demonstrations- und Weltverbesserungskollektiven, die in ihrer Oberflächlichkeit kaum zu übertreffen sind.
Offen bleibt, ob die Künstlerin Young mit ihren endlosen Versuchen die Aussage bis zum wahrhaftigen Glauben zu inkorporieren, tatsächlich auf eine Wiedererweckung des kulturellen und politischen Dissenzpotenzials und seiner Umwälzungsideen hofft.

Text von Anke Hoffmann (Aus: Glaubenssysteme zwischen Medien, Markt und Menschen)

Single channel video, 4:08 min
Courtesy the artist and IBID Projects, London

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