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Heiliger Franziskus-Comic
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Nicht nur die Heiligen von heute, sondern auch die aus der Religionsgeschichte dienen immer wieder für Auseinandersetzungen mit persönlichen, künstlerischen oder politischen Anliegen.
So endet das populäre Buch über die neue Weltordnung und zum Untergang des Empire von Michael Hardt und Antonio Negri mit einem feierlich linkskatholischen Blick in die Zukunft, der sich an dem Wirken des Heiligen Franz von Assisi orientiert. Dort heißt es: „In Opposition zum aufkommenden Kapitalismus ... setzte er ein glückliches Leben entgegen, das alles Sein und die gesamte Natur, die Tiere, Schwester Mond, Bruder Sonne, die Vögel auf dem Felde, die armen und ausgebeuteten Menschen zusammenschloss gegen den Willen der Macht und die Korruption. ... In der Postmoderne befinden wir uns wieder in der gleichen Situation wie Franz von Assisi, und wir setzen dem Elend der Macht die Freude am Sein entgegen.“3
Wird das charismatische Wirken des Mönches bei Michael Hardt und Antonio Negri im Sinne der Dialektik gedeutet und als revolutionär ausgelegt, weil es die „Leichtigkeit und das Glück, Kommunist zu sein“ vorwegnimmt, so erfährt die Person des Heiligen Franziskus in den Arbeiten von Andrea Büttner eine eher existenzialistische Interpretation. In Anlehnung an seine ‚Vogelpredigt’ skizziert die Künstlerin in ihren Zeichnungen mit nur wenigen Strichen die Versuche von Tieren, wie Schlange, Hund oder Löwe, zu Franziskus zu sprechen. Das in der Geschichte überlieferte Hierarchieverhältnis zwischen Sprechendem und Zuhörendem bei der ‚Vogelpredigt’ wird somit umgekehrt.
Für die Auseinandersetzung mit seiner Person folgt Andrea Büttner auch einem biografischen Impuls, denn sie hat ihre Gymnasialzeit auf einer von Franziskanerinnen geleiteten Schule verbracht. Neben ihren aktuellen Recherchen zu Nonnenkünstlerinnen wie zu Sister Corita Kent und ihren Zeichnungsabenden in einem Londoner Karmeliterinnen-Konvent arbeitet sie seit einigen Jahren zu den Schwerpunkten ‚Scham’ und ‚radikale Subjektivität’. Diese Themen sind sowohl Sujet ihrer Textarbeiten, Holzschnitte und Installationen als auch stilistisches Instrumentarium für den Einsatz von ‚uncoolen’ und ‚armen’ Materialien.
Der äußerst persönlich anmutende Bekenntnischarakter ihrer Texte und die radikal naive bis reduziert comicgleiche Bildsprache ihrer Zeichnungen unterlaufen visuelle und verbale Kommunikationsmuster und reduzieren sie auf das Essenzielle. Der Gestus der Selbst-Offenbarung und das öffentliche Ringen um Selbstbeschreibung sind unmittelbar und entwaffnend. Die Grenzen von Scham, Schlichtheit oder beschämender Unvollkommenheit werden innerhalb des künstlerischen Kontextes geöffnet.
Über ihre Zeichnungsserie schreibt Andrea Büttner: „Ich habe seit 2003 viel über und von Franziskus gelesen. Schön an Franziskus ist, dass er Armut in der Sprache der Troubadoure ‚Lady poverty’ genannt hat. Dass er als erster ein Gedicht in italienischer Sprache verfasst hat. Dieses Gedicht, der ‚Sonnengesang’, endet mit einer Strophe, die er der Legende nach kurz vor dem Tod schrieb: ‚Gepriesen seiest Du, oh Herr, durch unseren Bruder, den leiblichen Tod. Ihm kann kein Mensch entrinnen.’ Erst vor kurzem habe ich entdeckt, dass die Maden-Zeichnung damit zu tun hat, was ich über Heilige denke: dass es einige gab, die die Wirklichkeit liebten. Dass Heiligkeit genau das ist.“ So zeigt die Zeichnungsserie Tiere predigen dem Heiligen Franziskus (2004) in schöner Spiegelung, nicht wie Franziskus seinen Glauben in Wort und Lebensführung verkündet, sondern wie er den Tieren zuhört.
Text von Angelika Richter (Aus: Von Ikonen, Idolen, Avataren und anderen Stellvertretern)
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3 Michael Hardt, Antonio Negri: Empire. Die neue Weltordnung. Campus Verlag, Frankfurt/New York, 2003, S. 420.