Übergordnete Werke und Veranstaltungen
Füllen und Lehren / Filling and Emptying / Přeplňování a vyprázdňování
Personen
Media
Tereza Severová gelingt es in ihren Arbeiten, gesellschaftliche Erfahrungen subtil und tiefgründig zu hinterfragen. Sie arbeitet mit Video und Digitalfotografie und entwickelt sowohl statische als auch dynamische Bildszenen, indem sie Einzel- bzw. Bewegtbilder digital manipuliert. Laut Severová ist „der Raum, der uns umgibt, ein Symbol für physische Einschränkungen, Grenzen“. Mit der Verzerrung und Verwandlung der ursprünglichen Räume ist sie in der Lage, diese Grenzen zu durchbrechen.
Severovás Vorgehensweise während des Gastaufenthalts bei VIVID (Birmingham) war durch ein grundlegendes Interesse an Raum und Gedächtnis und am besitzergreifenden Raumgedächtnis gekennzeichnet. Nachdem sie in Birmingham bereits 2007 an einem Forschungsaufenthalt im Rahmen eines Gemeinschaftsprogramms von VIVID und Futura (Prag) zur Künstlerförderung teilgenommen hatte, war Severová beeindruckt von der Entwicklung und den massiven Veränderungen in der Umgebung des VIVID-Projektraums. Ursprünglich ein florierendes Industriegebiet, wurde dieser Teil von Birminghams Eastside ein Ort des Überflusses, geplagt von vollgestopften Lagerhäusern mit überschüssigen Waren, Zwischenlagern mit vollständigem anonymen Hausrat und ominösen, verschlossenen Werkstätten, in denen mysteriöse, potenziell gefälschte Waren lagerten. Leicht heruntergekommene Gebäude erzählten von einem Schwebezustand zwischen der industriellen Vergangenheit und einer potenziellen kreativen Zukunft. Severovás jüngste Fotoserie Overflow (2007) vermittelt diese Ahnung von überschüssigem Raum und vergangenen Leben, ein Gefühl von Unbeständigkeit und Verletzbarkeit. Die Künstlerin manipulierte Bilder von staatlichen Einrichtungen aus der Zeit des Kommunismus, beispielsweise von öffentlichen Schwimmbädern, sodass sie von steigenden Wasserfluten bedroht scheinen. In den Bildmontagen reflektiert sie über das potenzielle Raumgedächtnis, indem sie von der ursprünglichen Form abstrahiert. Diese illusorischen Räume spielen auf die Unzuverlässigkeit und grundsätzliche Fragilität des Gedächtnisses an. In ihnen hallt ein Gefühl von Umbruch nach.
Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten kommentieren den fortwährenden Fluss von Menschen und Waren. Räume werden mit Waren vollgestopft, die dann erneut ausgeliefert werden; öffentliche Orte sind von Menschen überfüllt, die häufig auf der Durchreise sind und sich hier nur aufhalten, um sich gleich wieder fortzubewegen. Der Geist von Waren und vergangenem Leben durchweht den Raum.
Severová denkt über die Beziehung zu den Waren nach, mit denen wir uns umgeben, und stellt auch die Frage nach der zunehmenden Bedeutung und Ausbreitung von Konsumgütern in ihrem Heimatland, der Tschechischen Republik. Damit regt sie zum Nachdenken über den allmählichen Sieg dieses Akkumulationsprozesses an. Severovás geflutete Räume ihrer Heimat beziehen sich auf Baudrillards Kritik der manischen Aneignung unendlich vieler Objekte durch den Konsumenten. Die dramatische Spannung der Arbeit entsteht durch das Gefühl, dass das Ausmaß der Anschaffungen immer weniger beherrschbar ist. Die Konsumgüter geraten in Konflikt mit dem Raum des Eigentümers. Ein Punkt der Übersättigung ist erreicht, und wir sind gezwungen, die Funktion der Besitztümer und die Nutzung von Raum neu zu überdenken. Er mag geleert worden sein, aber nur um erneut gefüllt zu werden.
Yasmeen Baig-Clifford