Übergordnete Werke und Veranstaltungen
Common Property: Ausstellung
Media
Mit der aktuellen Zuspitzung von Eigentumsverhältnissen wird die Forderung nach freiem Zugriff auf Wissen und Information gerade auch in der Kulturproduktion zentral. Gemeinsam mit den KünstlerInnen und ProduzentInnen entwickelte das kuratierende Team der 6. Werkleitz Biennale verschiedene Ausstellungsschwerpunkte und Formate, die Aspekte des Themas "Common Property / Allgemeingut" aufzeigen: Fragen nach der Produktion, Speicherung und Vermittlung von Wissen, Debatten um Copyrights und Patentrechte, Entwürfe freier Distribution von Informationen im öffentlichen, medialen und digitalen Raum sowie Fragen zum Umgang mit natürlichen Ressourcen und Entwicklungen der Biotechnologie.
Die über 40 individuellen und kollektiven künstlerischen Arbeiten, Gruppenprojekte sowie thematisch übergreifenden Formate der diesjährigen Ausstellung verteilen sich über die verschiedenen Räume des Volksparks. Beginnend mit einem Projekt im Eingangsbereich ("Property of the People of Halle") und dem Foyer (Sharmila Samant, hybrid video tracks), erstrecken sich die Positionen im Innenraum des Volksparks über die beiden Galerieräume (Eastwood-Real Time Strategy Group, "Networks of Commons", "Insert 2"), den Weinecksaal (Michaela Melián), den zentralen Thälmannsaal mit Balkon (Can Altay, Edgar Arceneaux, Matthew Buckingham, Ciné-tracts, "Einige RealistInnen", "Insert 3 + 4", Emma Kay, Sebastian Lütgert, Ines Schaber, Sean Snyder, Peter Watkins/Rebond pour la Commune/co-errances, Florian Zeyfang), dessen Vorraum (Dpto. de Intervenciones Públicas, Oda Projesi), den kleinen Klubraum (Christian von Borries, Judith Hopf/ Frauke Gust, Anne König/Jan Wenzel, Kristin Lucas) bis hin zum Treppenhaus ("Aktionsraum"). Weitere Projekte (Lara Almarcegui, Jeroen Jongeleen, "Insert 1", William Hunt, Eric Sandillon, Tomas Saraceno) werden unmittelbar vor dem Volkspark und im städtischen Raum gezeigt.
Der Volkspark als ehemaliger Arbeiter-Versammlungsort ist kein klassisches Ausstellungsgebäude und so lag es nahe, in die bestehenden Raumverhältnisse zu intervenieren und die eingeladenen Beiträge mit architektonischen Eingriffen zu bündeln. So leisten nun die große Stellwand, ein frei stehender "White Cube" und die Vergrößerung und Neuausrichtung der Bühnenflächen im Thälmannsaal eine bewusste Überzeichnung und Reflektion traditioneller Präsentations- und Vermittlungsformate. Die künstlerischen Arbeiten und Projekte der Ausstellung schaffen eine Vielzahl von Bezügen und Verbindungen zu den von der Biennale aufgegriffenen Fragestellungen und Debatten, die im Folgenden anhand von einigen Positionen exemplarisch aufgezeigt werden sollen.
Mit der aktuellen Diskussion um die Herstellung und Vermittlung von Wissen einher geht eine kritische
Reflektion etablierter Archivierungs- und Ordnungssysteme, denn Zugriffsbestimmungen entscheiden letztlich über den Zugang zu Wissen und Information. So verweisen etwa die Beiträge von Edgar Arceneaux und Emma Kay auf das Interesse an Bibliotheksordnungen, soziopolitischen Kartographierungsverfahren und auf die Auseinandersetzung mit dem Machtanspruch von staatlich sanktioniertem Wissen. Eng verbunden mit regulativen Kriterien, Festlegungs- und Ausschlussprinzipien ist die Frage nach dem Umgang mit Geschichte respektive nach der allgemein verbindlichen Definition und Rekonstruktion geschichtlicher Daten und Fakten. Unter diesem Aspekt rekontextualisieren die Arbeiten von Michaela Melián und Florian Zeyfang das historische Wandbild (als Vermittlungsform idealisierter Gesellschaftsbilder) und übertragen die Vorlage in ein zitathaftes, kopiertes und assoziatives Sample geschichtlicher Versatzstücke. Ausgangspunkt der Arbeit von Fred Fröhlich ist hingegen die aktuelle Bildpolitik. Fröhlich animiert die digitalen Motivbestände kommerzieller Bildagenturen zu einer Art Gesamtweltbild – einer rasanten Abfolge stereotyper Repräsentationen uns alltäglich umgebender Bildmotive. Im aktuellen Konflikt um das Geistige Eigentum wird die Privatisierung von Wissen durch neue Gesetze gestützt, die zu einer Verschärfung der Copyright- und Urheberrechtsbestimmungen von Kunstwerken, Musik, Filmen, Büchern, digitalen Daten und Software führen. Der Beitrag von Ines Schaber verweist hier etwa auf die Geschäftspraxis der Firma Corbis, die historisch bedeutende und eigentlich gemeinfreie Fotografien durch Wasserzeichen im Internet privatisiert. Musikalische Zitate und Ausschnitte von Lawrence Lessigs Kritik am Autorbegriff bilden das Ausgangsmaterial für die Hörstückproduktion von Christian von Borries. Werden im kulturellen Feld Copyright-Probleme vor allem an der Figur des Autors und der Autorin diskutiert, so sind es innerhalb eines größeren gesellschaftlichen Rahmens Ökonomien und Interessen global agierender Konzerne, die auf eine Ausdehnung von Urheber- und Patentrechten drängen. Die Marketingstrategien der Bio- und Gentechnologie-Branche untersucht und visualisiert hier etwa der Beitrag der Gruppe hybrid video tracks aus Berlin, der den Blick auf den Regionalstandort Sachsen-Anhalt richtet.
Als weitere Beispiele kollektiver Praxis wurden u.a. Oda Projesi (Istanbul) and Depto. de Interventiones Publicás (Havanna) eingeladen. Beide Gruppen dokumentieren ihre Arbeitsweise, die ihr jeweiliges lokales Umfeld direkt in die eigene künstlerische Praxis einbindet.
Die zunehmende Privatisierung und Kommerzialisierung des öffentlichen Raums spielt in der Diskussion um die Fixierung und Durchsetzung von Eigentumsrechten eine bedeutende Rolle. Gerade in den letzten Jahren führten die Proklamierung eines gestiegenen gesellschaftlichen Sicherheitsbedürfnisses und die damit einhergehenden Maßnahmen und Kampagnen für mehr Kontrolle, Sauberkeit und Ordnung in den Städten zum Widerstand von BürgerrechtlerInnen und aktivistischen Gruppen. Zur Biennale wurden in diesem Zusammenhang künstlerische Beiträge eingeladen, die – wie Lara Almarcegui – in der näheren Umgebung des Volksparks die Nutzung von Freiflächen initiieren oder – wie etwa von Jeroen Jongeleen in Sticker- und Graffitikampagnen beispielhaft aufgezeigt – durch interventionistische Eingriffe bestehende Ordnungssysteme und Eigentumsansprüche kritisieren.
Neben künstlerischen Einzelpositionen sind im Volkspark unterschiedliche thematische Projekte und Ausstellungsteile zu sehen, für die jeweils spezifische formale Umsetzungen gewählt wurden. Im Format "Network of Commons" werden auf zehn Computerterminals ProduzentInnen und Gruppen vorgestellt, deren Arbeitsweisen als stellvertretend für einen ungehinderten Zugang und kreativen Austausch von Informationen im Internet gelten können. Einblick in den aktuellen "Aktionsraum" global stattfindender Kämpfe gegen die Privatisierung von natürlichen Ressourcen und Lebensgrundlagen geben die über mehrere Terminals abrufbaren Videoberichte aus frei zugänglichen digitalen Archiven.
Die Geschichte des Volksparks und der erweiterte Kontext des Festivals am neuen Standort Halle bildeten den Ausgangspunkt für die Entwicklung von vier "Inserts", die historische Displays und Architekturentwürfe aus den 1920er und 1950er Jahren adaptieren. Die "Inserts 1-4", die sich im Gebäude und auf dem Vorplatz des Volksparks befinden, wurden von einer Gruppe von KulturproduzentInnen, KünstlerInnen und TheoretikerInnen erarbeitet. Sie thematisieren Bildungs- und Repräsentationsdiskurse und erzählen von Auseinandersetzungen um die Aneignung von Eigentum und Wissen sowie von spezifischen Momenten der kollektiven und selbstermächtigten Produktion und Nutzung von Wissen.
Das Ausstellungsformat "Einige RealistInnen" versammelt gegenständliche Zeichnungen verschiedener KünstlerInnen. Realismus ist ohne allgemeingültige und scheinbar verständliche Bildmethaphern vorerst nicht denkbar, dennoch realisieren sich die Bilder erst in ihrem Anknüpfen an unsere Sehgewohnheiten. Unter dem Begriff "Realismus" zeigen die ausgestellten Arbeiten subjektive Umsetzungen kollektiver Bildfindung.
Das Format "Property of the People of Halle" umfasst verschiedene Objekte aus öffentlichen Sammlungen, Museen und Archiven der Stadt Halle. Die Exponate wurden von den Institutionen zur Verfügung gestellt. Durch diese exemplarische Zusammenstellung ergibt sich die Frage nach der gesellschaftlichen Verfasstheit, dem kollektiven Gedächtnis, dem Selbstbild einer Gemeinschaft und nach dem, was als gemeinsame Geschichte angenommen wird. A.C., A.R.