Übergordnete Werke und Veranstaltungen

Werkleitz Festival 2010 Angst hat große Augen

Angst in Form – Kunst im öffentlichen Raum

Samstag
01.5.
 
 
Sonntag
31.10.2010

Während der Planung und Umsetzung der Projekte des Angst-Festivals verging kein Tag, an dem nicht eine neue Finanz-, Umwelt-, Menschenrechts- oder Identitätskrise ausgerufen worden wäre. Die nicht endende Folge von sogenannten Krisen – die im eigentlichen Sinne eher als Katastrophen zu bezeichnen wären1 - verdeutlicht die Bedeutung von Angstproduktion als Treibstoff im Maschinenraum des Frachtschiffes „Globale Weltgemeinschaft“.

Diese Dichte an Untergangsmeldungen lässt sich nicht mehr allein durch die Gesetzmäßigkeiten von Medienaufmerksamkeit erklären, sondern scheint in einem genuinen Interesse an Ausnahmezuständen zu fußen. Jenes kontroll-politische Interesse wird schon seit längerem durch Agamben und Co., das Feuilleton und diverse kulturelle Formate reflektiert. In den kritischen Reflexionen wird jedoch meist jenes Element, das das Funktionieren der Machtgefüge ermöglicht, übersehen: die Angst. Die Angst vor Armut, die Angst vor Kontrolle (und vor Kontrollverlust), die Angst vor dem Fremden, die Angst vor der Zukunft - eine unendlich lange Liste.

Angst in Form – als Teil des Werkleitz Festivals – geht den Ängsten nun dort nach, wo ihnen innerhalb einer Gesellschaft Ausdruck verliehen werden könnte – in der Öffentlichkeit. Denn tatsächlich richten sich die Appelle des Ausnahmezustands, der Krise und der Katastrophe immer an eine Gesellschaft als Ganzes, verlangen allerdings vom Individuum, sich zur Bewältigung einzubringen, d.h. zu spenden, sich impfen zu lassen, zu melden – letztlich zu folgen und nicht in Frage zu stellen. Angst in Form klopft an die Türen, spricht die Menschen an und untersucht jene mobilisierenden Ängste dort, wo sie ihre gesellschaftliche Wirkung entfalten.

Die Auswahl der Kunstprojekte fand in Zusammenarbeit mit einem kuratorischen Beirat statt, bestehend aus den Kuratoren Frank Motz, Edit Molnár, Joseph Del Peso, Annette Maechtel und Sophie Hope. Aus einem Pool von 30 konkreten Projektvorschlägen wurden sieben Arbeiten für das Festival ausgewählt. Die KuratorInnen standen mit ihrer jeweiligen Herkunft und Expertise für unterschiedliche Blickweisen auf den Themenschwerpunkt. Die intensive Diskussion um eine sinnvolle Zusammenstellung der Arbeiten brachte interessante (Rand-)Diskurse hervor und resultierte trotz der vielen Beteiligten in einer erstaunlich kompromissfreien Auswahl. Die Projektreihe verzichtet auf rein formalästhetisch Positionen (und wenn eine Skulptur oder Plastik entsteht, ist ihre Entsorgung, Verbrennung oder Explosion bereits mitgedacht), die Arbeiten sind konsequent auf Interaktion angewiesen und schließlich verteilen sich die Projekte paritätisch auf Stadt und Land.

KUNSTrePUBLIK verfolgt mit dem Auswahlverfahren und der Projektzusammenstellung seine bisherige Arbeitsweise. In diversen Projekten arbeitet das Kollektiv an einem erweiterten Verständnis von Kunst im öffentlichen Raum. Im Skulpturenpark Berlin_Zentrum werden seit 2006 prozessorientierte, ortsspezifische Kunstprojekte realisiert, in diversen eigenen Arbeiten und Workshops untersucht die Gruppe kuratorisch und künstlerisch die Möglichkeiten ephemerer Kunst. Das Themenfeld Angst – in seinen abstrakten Erscheinungsformen und Dramaturgien – scheint für jenen Ansatz geeignet, was durch die von den KünstlerInnen vorgeschlagenen Strategien bestätigt wird. Genauso facettenreich wie die Angst dringen auch die Arbeiten der KünstlerInnen in den Alltag der Menschen ein. Teils alarmistisch, teils subtil, immer vielschichtig umkreisen die Projekte in längeren Prozessen die thematisierten Ängste. Sie erzeugen und verstärken sie, um letztlich Ansätze für ihre Überwindung aufzuzeigen. Der Teufel wird mit dem Beelzebub ausgetrieben, nur dass sich jener ab und an seines Kostüms entledigt und sich als Künstler zu erkennen gibt.

KUNSTrePUBLIK

1 Vgl. Yana Milev, Emergency Design – Kulturtechniken des Über/Lebens. Berlin: Merve 2010.

Der öffentliche Raum spielt in den Ängsten der Menschen eine besondere Rolle. Hier sind sie ungeschützt und angreifbar. Unter dem Titel Angst in Form wird einerseits Angst und deren Wirkung direkt thematisiert, mobilisiert oder inszeniert, um Mechanismen von Angsterzeugung zu dekonstruieren. Andererseits wird das Symptom „Angst“ auf seine Ursachen hin untersucht, um ein Verständnis der Wechselwirkungen im Öffentlichen zu entwickeln.

Neun Projekte reflektieren in ihren ortspezifischen und prozessorientierten Arbeiten verschiedene Vorstellungen von Angst und bringen diese in Form.

Die Projekte finden zwischen Mai und Oktober 2010 an verschiedenen Orten in Sachsen-Anhalt sowie im Grenzland zu Tschechien statt und werden während der Kernzeit des Festivals (12–17 Oktober 2010) in Form einer Ausstellung im Festivalzentrum präsentiert.

Angst in Form wird kuratiert von dem Berliner Künstlerkollektiv KUNSTrePUBLIK: Matthias Einhoff, Philip Horst, Markus Lohmann, Harry Sachs, Dan Seiple

Kuratorischer Beirat: Sophie Hope, Annette Maechtel, Edit Molnár, Frank Motz und Joseph del Pesco

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