Übergordnete Werke und Veranstaltungen

Unendlich fast...

DE 1998

Die Internet-Benutzer, die sich Internetangebote ansehen, haben normalerweise eine eindeutige Erwartung bezüglich dessen, was sie am Bildschirm ihres Computers sehen werden. Sie gehen davon aus, daß die Informationen auf eine deutliche und direkte Weise vermittelt werden - in einer grafischen Sprache gestaltet, die einfach lesbar und navigierbar ist. Darüber hinaus erwarten sie, daß ihnen „klickbare" Alternativen angeboten werden, die zu anderen Dokumenten, innerhalb oder außerhalb des Webangebotes (der Site), führen. Auf der technischen Ebene sollten die Seiten außerdem so klein sein, daß sie schnell auf dem Bildschirm erscheinen.

Auch im Internet muß ein Angebot in wenigen Sekunden die Aufmerksamkeit wecken und den Besucher fesseln. Es ergibt sich eine durchschnittliche Verweildauer von etwa zehn Minuten auf einer Site. Deshalb geht man davon aus, daß die Einstiegsseite besonders attraktiv aufgebaut sein muß und sich schnell öffnet, da sonst der Besucher das Angebot möglicherweise verläßt, bevor die Einstiegsseite vollständig übertragen ist.

„Unendlich, fast ..." verwirrt den an kommerzielle Sites gewöhnten User schon deshalb, weil die Arbeit nur aus einer einzigen Seite besteht. Eine einzige Seite, mit einem einzigen Bild (kleine Sterne und Linien, die Grafik eines Bildschirmfotos einer EPS-Datei des Unendlichzeichens - so der Autor), das an einer bestimmten Stelle plaziert worden ist und auf seine Entdeckung wartet. Das erste, was der Besucher sieht, ist eine vollkommen blaue Seite, die sich sofort auf dem Bildschirm öffnet. Ein riesiges Blau - begrenzt nur durch einen waagerechten und einen
senkrechten Scrollbalken. Sie sind die einzige Möglichkeit, in diesem Raum zu navigieren. Diese vom Autor vorgesehene Art der Interaktion wirft die Frage beim Besucher auf, ob es dort noch etwas anders gibt und wo es denn sein könnte. Die Suche endet auf dem Bild, das nicht „anklickbar" ist und scheinbar Sterne darstellt. Es gibt keinen Ausweg aus diesem Raum. Nichts, worauf man klicken könnte. Nichts, das zu einem anderen Dokument führt. Den einzigen Ausweg aus der Site bildet der Browser selbst, indem man den „Zurück" Button betätigt oder eine andere Adresse eingibt.

Holger Friese verweigert dem Besucher die Ordnungs- und Zeichensysteme, die ihm andere Sites zur Verfügung stellen. Eine einzige Seite, ohne Verbindungen nach innen oder „Auswege" zu anderen Angeboten. Das einzige, das existiert, ist die Suche nach dem vielleicht Vorhandenen.
aus: Hélia Vannuchi, Eine Untersuchung des kreativen Prozesses im Werk „Unendlich, fast ...

Holger Friese, DE 1998, Netart

Unendlich fast...

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