Übergordnete Werke und Veranstaltungen

Steintorprozess

Werkleitz – Stadtraum und Kunst

Megacity versus schrumpfende Stadt. Der thematische Überbau des diesjährigen move forward-Festivals ist Mexiko. Mexiko birgt Gegensätze zwischen europäischer und präkolonialistischer Kultur, zwischen Megacity und weitem Land, zwischen reich und arm, zwischen rasanter Veränderung und Stagnation. Auch Halle ist von Gegensätzen geprägt – auf andere Art und Weise. Die gezeigten installativen Arbeiten mexikanischer und europäischer Künstler und deren kritisch reflektive Einbettung an den Ort stellen Querbezüge her und schälen Kontraste heraus.
Es ist daher nur folgerichtig, dass Werkleitz sich auf den Stadtraum einlässt und das Steintorareal als Experimentierfeld und Ausstellungsparcour auserkoren hat. Dieser Ort ist ebenso geprägt von Kontrasten: Verkehrsknotenpunkt versus Grünoase, Identifikationsort und Angstraum zugleich, zwischen Stagnation und Veränderung, Leerstand und Aufwertung.
Auf der Suche nach Wegen, Medienkunst Teil der öffentlichen Auseinandersetzung werden zu lassen, orientiert sich Werkleitz hierbei eben nicht nur an speziellen Themen und Werken, sondern gleichermaßen an ortsspezifischen Dynamiken und Prozessen. Das Steintor genießt als Ort offenbar von jeher den Stolz seiner Bewohner und Nutzer. Bis heute ist der Platz das Tor von der Stadt hinaus in die Welt oder nach Halle hinein – über die Große Steinstraße bis hin zum Markt. Zu diesem Transit-Ort Steintorareal kommt eine Besonderheit hinzu – es sind die Nachbarn und insbesondere die Melange der Akteure: Händler, Dönerverkäufer, Alteingesessene, Hausbesitzer, Taxifahrer, Kioskbetreiber, Hotelgäste, Konzertbesucher oder Wartende, um nur einige zu nennen. Diesem Areal steht in den kommenden Jahren eine umfangreiche Umgestal-tung bevor. Wer aber plant und gestaltet die Veränderung eines solchen Ortes? Ein technisches Büro, ein Amt, eine Verkehrs-AG? Ja, aber nicht allein. Ein solcher Prozess beginnt im Gespräch mit den Händlern, dem Dönerverkäufer, den Alteingesessenen, den Zugezogenen, dem Hausbesitzer und den Wartenden, um die Wünsche und Anregungen der dort Agierenden und damit die Potentiale des Ortes ans Tageslicht zu bringen. Als Akteur an diesem Ort begreift sich Werkleitz als Mitinitiierer und Mitgestalter dieses Prozesses.
Seit Beginn des Jahres ist Werkleitz daher in Radiogesprächen mit Anwohnern und Akteuren über den Alltag der Straße und die verschiedenen, an eine Entwicklung des Quartiers geknüpften Erwartungen im Gespräch und versucht ein Bild von der Situation vor Ort zu zeichnen. Dieses Engagement fiel auf fruchtbaren Boden, da bereits seit dem letzten Jahr durch ortsansässige Akteure und verschiedene Aktionen begonnen wurde, die Anwohner für einen Beteiligungsprozess zu sensibilisieren.
In drei öffentlichen Gesprächsrunden initiierte Werkleitz ab dem Frühjahr 2012 eine Bürgerbeteiligung, aus der für die Stadt Halle zahlreiche Impulse für die Umgestaltung des Platzes Am Steintor resultierten. Die Gespräche fanden in Kooperation mit dem Dezernat Planen und Bauen der Stadt Halle (Saale), der HAVAG, den stadtgestalten, dem Kommunikativen Netzwerk Räume Öffnen sowie Radio Corax statt.
Zur ersten Podiumsdiskussion am 16. Februar 2012 drängten sich an die 70 Anwohner und auch einige Vertreter des Stadtplanungsamtes in die ehemalige Galerie dieschönestadt. In kurzen Vorträgen vermittelten die Redner Wissen zu beispielhafter Stadtentwicklung im Halleschen Glauchaviertel, zu Gentrifizierung, zum konkreten Vorhaben am Steintorplatz und zur Rolle der Kunst im öffentlichen Raum. Die stadtgestalten stellten ihre Studie Halle Calling! vor, die subjektive Bedürfnisse und Wahrnehmungen der Lebensqualität des Steintorplatzes und zweier weiterer Verkehrsknotenpunkte in Halle nachvollziehen lässt.
Anderthalb Monate darauf, am 3. April, lud Werkleitz Anwohner ein, am runden Tisch im Projektraum Große Steinstraße 55 ihr Bild vom Steintor zu entwerfen und zu diskutieren. Impulsgeber war der Stadtplaner und Charette-Experte Dr. Harald Kegler (Dessau). Auf der Grundlage von Skizzen und Themen der ersten Diskussion entstanden so rund 30 verschiedene Zeichnungen der Anwohner, die zum großen Teil engagiert kommentiert und kritisiert wurden.
Am 04. Juni fand die dritte öffentliche Diskussionsrunde zur Zukunft des Platzes statt. Im Zirkuszelt am Rossplatz stellten an diesem Abend das Dezernat Planen und Bauen zusammen mit der HAVAG verschiedene Platzumbaumöglichkeiten vor und zur Diskussion. Trotz strömenden Regens verfolgten über 100 Besucher den Abend und beteiligten sich rege an der Diskussion. Die vorgestellten Konzeptstudien der Stadt sind mit Bezug auf einige der beim runden Tisch herausgearbeiteten Skizzen entstanden.
Die Aufzeichnungen aller Steintorgespräche und der Radiobeiträge aus dem Steintorareal können im Werkleitz Magazin auf 95,9 FM angehört werden. Des Weiteren ist dieser Bürgerbeiteiligungsprozess auf dem Blog: www.stadtgestalten.blogspot.com nachzuverfolgen.

Als vorläufigen Abschluss dieser Initiativen und der Verzahnung von Medienkunst, öffentlichem Raum und Partizipation laden wir herzlich ein zu einem Stadtspaziergang zwischen Roßplatz und Stadtbad. Der Spaziergang zu Geschichte, Raum und Perspek-tiven entlang des Steintorareals sowie durch die Räume des Ausstellungsparcours des Werkleitz Festivals wird organisiert durch: das ExWoSt-Forschungsprojekt zum Stadt-umbau an Innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen, die stadtgestalten, und Werkleitz. Die Führung startet am 14. Oktober 2012 um 14:00 Uhr auf dem Gleisdreieck Am Steintor.

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