Filmprogramm

About Love

Samstag
15.10.2011
22:00

„Alle, die Katzen oder Hunde lieben, sind Dummköpfe“, schreiben Gilles Deleuze und Felix Guattari in ihrer Studie Kapitalismus und Schizophrenie. Tausend Plateaus. Die beiden wollen damit vor allem der gängigen Trennung von Katzen und Hunden widersprechen, die zum Beispiel behauptet, Katzen seien viel eigensinniger und damit ungebundener als Hunde. Haustiere, so Deleuze/Guattari, seien nie ungebunden. Sie werden immer in Abhängigkeit von ihren Besitzern gehalten, sexuell von ihren Artgenossen isoliert und bleiben am Tropf der wohltätigen Nahrungsgabe ihrer Besitzer hängen. Schon deshalb seien Haustiere immer gezwungen sich den Launen und Maßgaben ihrer Besitzer anzupassen. In den Haustieren spiegelt sich sozusagen der Narzissmus ihrer Besitzer.
Der Fotofilm – Lenin mit Katze setzt diese Diagnose unfreiwillig ins Bild. 1975 von Joachim Hellwig in der DDR montiert und mit einem Text von Günter Kunert versehen, changieren Bilder und Text zwischen Geburt, Hunger, Armut, Bibelzitaten und einer Hymne auf die Art, wie Lenin eine Katze hält und nicht etwa einen Hund. Hunde, sagt der Film damit auch, streicheln immer nur die anderen, nicht so gute Leute wie Lenin. Und die Katze lässt es mit sich geschehen, denn sie weiß ja, dass sie ohne Lenin nichts zu futtern bekommt. Und dieses Schicksal teilt sie mit allen Haustieren.
Der Chihuahua, der in den Chevrolet Leader News als Galionsfigur vorne auf dem Auto freudig durch die Gegend fährt, ist genauso in die Menschenwelt hineingewachsen wie die Katze der schwedischen Performance-Künstlerin Joanna Rytel in ihrer Arbeit Then I’ll Take Your Cat. Rytel belässt es in ihrem Film nicht wie Lenin beim freundlichen Streicheln ihrer Katze. Sie küsst das Tier intensiv im Zungenspiel. Ein Tabubruch, der aber merkwürdigerweise nichts Abstoßendes hat. Vielleicht liegt es daran, dass die Katze genau registriert, mit wem sie es zu tun hat. Abgeschnitten von einer rein tierischen Sexualität bleiben Hunde wie Katzen eben auf die Liebe ihrer menschlichen Besitzer angewiesen. Wo die hinführen kann, das wird in Vladimir Tyulkins About Love als Desaster in einem Haushalt einer tierliebenden Frau dokumentiert. Ihr Haus wird von einem Gewimmel von Tieren besiedelt, die unter der Liebe der Frau in der Menge so hilflos zu werden scheinen, dass sie nur noch eine Idee haben: immer mehr werden zu wollen. Das Haustier bleibt in den vielen Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Menschen und Tieren das abhängigste Tier. In seiner Abhängigkeit entwickelt es dennoch Fähigkeiten, mit denen es manchmal selbst seine ärgsten Widersacher zu überzeugen vermag. Der späte Gilles Deleuze hat in einem Interview davon erzählt. Nachdem seine Tochter eines Tages ein kleines Kätzchen mit nach Haus gebracht hatte, musste auch er mit Katzen leben, und so schloss er im Gespräch: „Nun ja, es ging und war halb so schlimm.“

Filmprogramm

  • Pancia – Frauchen – Mistress, Iwona Siekierzynska, PL 1995, 15 min
  • Chevrolet Leader News (Vol. 1, No. 3): Grand Rapids Michigan, Jam Handy Organization, USA 1935, 2 min
  • Vierbeinige Weltraumfahrer, N. Tichonow, UdSSR 1959, 22 min; Archiv: Bundesfilmarchiv
  • Pro lyubov / About Love, Vladimir Tyulkin, Kazakhstan 2005, 26 min
  • Fotofilm, Joachim Hellwig, DDR 1975, 3 min; Vertrieb Progress Film-Verleih
  • Le Chat qui dort – The Sleeping Cat, Joël Bartoloméo, FR 1992, 4 min
  • Then I’ll Take Your Cat – Part One, Joanna Rytel, SE 2002, 8 min

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